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Vermögen auf Sparflamme

NEW BUSINESS Export - NB EXPORT 2/2017
Was die Vermögensrendite betrifft, wird Österreich seit mittlerweile fünf Jahren europaweit überholt. © Pixabay

Die Anzahl der Millionäre nimmt weltweit zu. So auch in Österreich. Was die Veranlagung der wachsenden Vermögen betrifft, sind Herr und Frau Österreicher allerdings wenig risikofreudig ...

... und verpassen dadurch lukrative Renditechancen.

Dem „World Wealth Report 2017“ (WWR) des Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmens Capgemini zufolge beschleunigten sich die Wachstumsraten der sogenannten High Net Worth Individuals (HNWI), also der Personen, die über ein anlagefähiges Vermögen von über einer Million US-Dollar verfügen (ausgenommen Sammlerstücke, Verbrauchsmaterialien und Gebrauchsgüter), im Jahr 2016 weltweit. Die Zahl der vermögenden Privatanleger wuchs um 7,5 Prozent gegenüber 4,9 Prozent im Jahr 2015, während das Vermögen um 8,2 Prozent gegenüber 4,0 Prozent im Jahr 2015 zulegte. In Deutschland gab es im Vergleich zu 2015 über 81.000 Millionäre mehr (2015: 1.198.700, 2016: 1.280.300) – ein Wachstum von ungefähr sieben Prozent.
Allgemein ist in den Regionen Asien-Pazifik, Nordamerika und Europa die Anzahl der HNWI um etwa 7,5 Prozent gestiegen, deren Vermögen wuchs um etwa 8,2 Prozent. Damit setzt sich der Wachstumstrend des Vorjahres in Nordamerika sowie in Europa fort. In der Asien-Pazifik-Region, die in den Jahren zuvor als stärkster Wachstumsmarkt galt, hat sich das Wachstum etwas verlangsamt (Anstieg Anzahl der HNWI 2014–2015: 9,4 %; 2015–2016: 7,4 % und Anstieg des HNWI-Vermögens 2014–2015: 9,9 %; 2015–2016: 8,2 %).
Einige Märkte, darunter Russland und Brasilien, verbesserten ihre Position unter den 25 Ländern mit den meisten Millionären deutlich: Russland verzeichnete nach einem moderaten Rückgang im Jahr 2015 das höchste Wachstum mit rund 20 Prozent sowohl für die HNWI-Bevölkerung als auch deren Vermögenswerte. In Brasilien wuchs die Anzahl der HNWI zweistellig, nachdem sie 2015 deutlich zurückgegangen war. Es wird erwartet, dass das Vermögen der HNWI weiterhin im Durchschnitt um rund 5,9 Prozent jährlich wächst und bis 2025 auf über 100 Billionen US-Dollar ansteigt.

Österreich verschläft Renditechancen
„Beim Schuldenmachen waren Herr und Frau Österreicher vergangenes Jahr vorne dabei, beim Vermögensaufbau eher Abstiegskandidat. Während Anleger weltweit bei der Vermögensbildung überwiegend von Zuwächsen an den Kapitalmärkten profitieren, gehen die meisten Österreicher einen anderen Weg – und lassen ihr hart verdientes Geld auf der Bank brachliegen“, kommentiert Martin Bruckner, Chief Investment Officer der Allianz Gruppe in Österreich, die Ergebnisse des aktuellen „Allianz Global Wealth Report“.
In der Studie wird die Vermögens- und Schuldenlage der privaten Haushalte in über 50 Ländern analysiert. Im vergangenen Jahr wuchs das weltweite Bruttogeldvermögen um 7,1 Prozent auf knapp 170 Billionen Euro. Zu verdanken ist diese gute Entwicklung in erster Linie der Jahresendrallye an den Aktienmärkten, vor allem in den Indus­trieländern. Knapp 70 Prozent des Vermögenszuwachses gingen 2016 auf das Konto von Wertveränderungen im Bestand, nur gut 30 Prozent entfielen auf Mittelzuflüsse. Die Zusammensetzung der frischen Spargelder offenbart dabei eine Überraschung: Die Privatanleger trugen zwei Drittel ihrer Ersparnisse zu den Banken – ein neuer ­Rekordwert. „Das Sparverhalten der Privatanleger ist ­weiterhin von großer Risikoscheu geprägt“, erklärt Mi­chael Heise, Chefvolkswirt der Allianz. „Neue Gelder ­fließen hauptsächlich in Bankeinlagen, wo sie an realem Wert ­verlieren: Allein im letzten Jahr dürften die Sparer in den Industrieländern durch die Geldentwertung Einbußen in Höhe von rund 300 Milliarden Euro erlitten haben. Im Jahr 2017 dürfte sich dieser Wert mit der Rückkehr der Inflation verdoppeln“, so Heise.

Österreich bleibt auf Platz 17 der Rang­liste, die USA erstmals an der Spitze
Die Wachstumsbeschleunigung im vergangenen Jahr ging hauptsächlich von den Industrieländern aus. Hier hat sich die Wachstumsrate der Vermögen auf 5,2 Prozent verdoppelt, sie blieb aber dennoch unter dem globalen Trend. Spitzenreiter beim Vermögensaufbau war 2016 erneut Asien (ex Japan) mit einem Zuwachs von 15 Prozent. In der Rangliste der 20 reichsten Länder verharrte Österreich wie in den Vorjahren auf Platz 17, einen Platz vor Deutschland: In Österreich wuchs das Nettogeldvermögen (Brutto­geldvermögen abzüglich Verbindlichkeiten) um 2,0 Prozent auf 51.980 Euro pro Kopf.
An der Spitze kam es 2016 erstmals zu einem Wechsel: Die USA verdrängten mit einem Wert von 177.210 Euro die Schweiz (175.720 Euro) von Platz eins, auf Platz drei rangiert, mit einigem Abstand, Japan (96.890 Euro). Ansonsten bietet sich jedoch auch im letzten Jahr das gewohnte Bild: Skandinavische und asiatische Länder dominieren die Top Ten – mit den Niederlanden (87.980 Euro) ist nur noch ein Staat aus der Eurozone vertreten.

Seit 2012: Österreich mit niedrigster Vermögensrendite im Europavergleich
Wirft man einen Blick auf die vergangenen fünf Jahre, so wuchs das Geldvermögen pro Kopf im Euroraum rund 40 Prozent schneller als in Österreich. Es ist sicher kein Zufall, dass Finnland und die Niederlande bei der Vermögensrendite am besten abschneiden: Finnland weist die höchste Vermögensrendite auf (acht Prozent pro Jahr), knapp vor den Niederlanden (7,6 Prozent). Grund dafür ist bei den Finnen eine hohe Wertpapierquote im Portfolio, die niederländischen Haushalte sind mit Abstand am stärksten in Pensionsfonds engagiert. Der Anteil der Bankeinlagen ist hingegen in Österreich, Deutschland und Portugal am höchsten – die Konsequenz: Nirgendwo sonst im Euroraum war die durchschnittliche Rendite des Geldvermögens niedriger als in Österreich (2,6 Prozent). „Es wird Zeit, dass Österreich ‚umspart‘“, erklärt Bruckner.

Die Vermögensverwaltung wird hybrid
Der eingangs erwähnte WWR wirft ein neues Licht auf die Art und den Wert der Zusammenarbeit zwischen vermögenden Privatanlegern und Wealth-Management-Firmen. Sogenannte hybride Beratungsmodelle geben Vermögensverwaltungsunternehmen die Möglichkeit, einen besseren Service für ihre Kunden anzubieten den Herausforderungen des Markts zu entsprechen. Der WWR 2017 zeigt, dass aufseiten der Kunden die Bereitschaft zur Nutzung hybrider Beratungsmodelle steigt, wenn bereits eine eta­blierte Geschäftsbeziehung mit dem Vermögensverwalter besteht. Zu Beginn der Zusammenarbeit hingegen bevorzugen fast zwei Drittel der High Net Worth Individuals (60,2 Prozent) den direkten Austausch mit einem persönlichen Vermögensverwalter. In dieser Phase geht es da­rum, die individuelle Kundensituation zu verstehen und das Risikoprofil zu erstellen. Sobald die Investmentstrategie erstellt und umgesetzt wird, nimmt die Bedeutung persönlicher Beratung bereits deutlich ab und erreicht im After-Sales beim Investmentreporting nur noch 37,5 Prozent (gegenüber 42,7 Prozent bei Hybrid- und 19,7 Prozent bei Automatisierungslösungen). „Die Ergebnisse des diesjährigen ,World Wealth Report‘ zeigen, dass hybride Beratungsangebote bei der Vermögensverwaltung eine immer größere Rolle spielen. Viele Banken haben den Trend erkannt und sind dabei, ihr Angebot in diesem Bereich aus- oder zunächst noch aufzubauen. Allerdings gehen sie meist noch zögerlich vor und wagen nur kleine Schritte. Dies wird nicht ausreichen, um in dem zunehmenden Wettbewerb mit Fintechs bestehen zu können und den wachsenden digitalen und hybriden Anforderungen ihrer Kunden gerecht zu werden“, erklärt Stephan Kolarik, Leiter Transformation Consulting bei Capgemini in Österreich.
Die Akzeptanz hybrider Beratungsangebote ist regional und demografisch jedoch unterschiedlich. In Europa und Asien-Pazifik (ohne Japan) sind HNWI am ehesten dazu bereit, hybride Dienstleistungen in den meisten Phasen des Beratungszyklus in Anspruch zu nehmen, während HNWI in Nordamerika am wenigsten dazu tendieren. Die jüngeren HNWI (unter 40 Jahre) bevorzugen mittlerweile einen hybriden Ansatz in allen Phasen der Beratungs­beziehung.
Die Führungskräfte der Vermögensverwaltungsgesellschaften sind sich der Bedeutung hybrider Beratungsmodelle bewusst, haben aber bisher keine großen Fortschritte erzielt. Das Angebot von hybriden Beratungsleistungen ist für 71 Prozent der HNWI ein ausschlaggebender Punkt, wenn sie ihr Vermögen bei ihrem bevorzugten Vermögensverwalter konsolidieren.

BigTechs am Horizont?
Laut „World Wealth Report“ könnte es sein, dass in den kommenden Jahren sogenannte BigTechs Wealth-Management-Dienstleistungen anbieten werden. BigTech ist ein allgemeiner Begriff für datengetriebene Technologieunternehmen wie Google, Amazon, Alibaba, Apple und Facebook, die traditionell nicht in Finanzdienstleistungen vertreten sind. Mehr als die Hälfte der HNWI (56,2 Prozent) sind offen gegenüber BigTech-Dienstleistungen im Vermögensverwaltungsbereich und erwarten Effizienz, Transparenz, Innovation und exzellente Onlinefunktionen, so der Report.
Während BigTechs ihren Eintritt in die Vermögensver­waltung noch nicht offiziell angekündigt haben, sind sich etablierte Unternehmen der potenziellen Wettbewerber bewusst, haben aber unterschiedliche Meinungen und Vorstellungen über mögliche Auswirkungen. (BO)